Herzlich willkommen!
Ute Cintara begrüßt Sie zu "Glaube Global" und nennt Ihnen gleich das Stichwort: das Thema, das sich durch dieses Programm zieht, nämlich Wasser. Wasser für Afrika, um es genau zu sagen.
Aber Wasser ist für alle Menschen auf allen Kontinenten ein wichtiges Thema. Wie ist das mit dem Wasser? In unseren Breiten scheint es ganz einfach. Man macht den Wasserhahn auf und dann kommt Wasser zum Trinken, Kochen, Waschen, Duschen, Gießen und für vieles mehr. Alles in der Regel kein Problem. Wir brauchen Wasser zum Leben und haben es scheinbar im Überfluss. Aber das ist längst nicht überall auf der Welt so. Darum ein bisschen weniger Selbstverständlichkeit, ein bisschen mehr Dankbarkeit. Das könnte ein Effekt von diesem Programm in der Reihe "Glaube Global" sein. Aber da ist noch viel mehr.
Für Jürgen Baisch aus Kraichtal ist Wasser so etwas wie ein Lebensthema geworden. In "Glaube Global" geht es heute um Wasser. Dass Wasser ein ganz besonderer Stoff oder Element ist, davon wird Jürgen Baisch aus Kraichtal heute berichten. Er ist hier im Studio. Ich sage erst einmal herzlich willkommen, Herr Baisch.
Vielen Dank für die Einladung. Ja, Sie sind Wasserbauer und Diplom-Ingenieur für Tropenwasserwirtschaft. Ehrlich gesagt, das höre ich zum allerersten Mal, dass es solche speziellen Berufsfelder gibt. Erzählen Sie doch mal, wie Sie im Gang Ihrer Ausbildung dahin gekommen sind, dass Sie heute so etwas sind und sehr fachmännisch mit Wasser umgehen können.
Ich war mal als Jugendlicher bei einer Abendveranstaltung in der Gemeinde. Da kam jemand vom CVJM und hat über seinen Hilfstransport von Medikamenten in den Sudan berichtet. Und es war unheimlich spannend. Die sind unter anderem sechs Wochen an der Grenze in Alexandria stecken geblieben. Mussten dort warten, bis es weiter ging. Und die ganze Story hat mich irgendwie ziemlich gepackt und ich dachte, das ist es irgendwie, irgendwas zu lernen, womit man den Armen helfen kann. Damals wusste ich noch nicht, was ich genau werden möchte.
1984 bin ich dann von der Schule abgegangen. Es war schwierig, einen Ausbildungsplatz zu kriegen. Ich habe mich für sehr viele Berufe beworben. Und drei Wochen vor Ausbildungsbeginn habe ich dann sozusagen einen Platz bekommen als Wasserbauer. Es hat sehr viel Spaß gemacht. Ich wäre nach der Ausbildung gerne noch geblieben, aber leider wurde niemand übernommen. Dann hatte ich also die Wahl zwischen Arbeitslosigkeit und Studium. Dann habe ich mich entschlossen, zu studieren.
Ich habe an einer kleinen Hochschule in Niedersachsen Wasserwirtschaft und Kulturtechnik studiert. Und an dem Tag, bevor ich mich einschreiben wollte, habe ich einen Studienführer in der Hand gehabt. Und habe gesehen, dass es in dieser Hochschule auch einen Studiengang gibt: Tropenwasserwirtschaft als Ergänzungsstudium, als Masterstudium. Ich dachte, das muss ich auf jeden Fall noch hinterher machen. Und vier Jahre nach dem ersten Studium habe ich mich dann für Tropenwasserwirtschaft eingeschrieben. Und bin jetzt einer von sehr wenigen Tropenwasserwirtschaftlern in Deutschland.
Also das klingt doch sehr interessant. Kann man auch gratulieren, dass Sie so etwas Besonderes und Wichtiges tun. Das wollen wir noch ein bisschen näher im Laufe des Gesprächs erfahren. Aber nochmal zurück an den Anfang: Ausbildungsberuf Wasserbauer. Es klang so, als gäbe es dieses und jenes und noch etwas anderes. Und dann gab es auch noch Wasserbauer. Was haben Sie da genau gelernt?
In der Ausbildung lernt man zum Beispiel die grundsätzlichen Funktionen einer Kläranlage, Kanalnetzplanung, Umweltschutz, Flussbau, Renaturierung, Küstenschutz, Wasserkreislauf, welche Einflüsse Starkregen hat, warum es in Städten zu Hochwasser kommt und was man dagegen tun kann. Solche Sachen gehören eigentlich zum Wasserbau. Wasserbau ist ein Spezialbereich des Bau- und Ingenieurwesens.
Und was hat Sie beim Thema Wasser bewegt, dass Sie ein Studium angefangen haben und sich dann so spezialisiert haben?
Ich wollte ja unbedingt in die Tropen gehen und den Armen helfen und wollte gut vorbereitet sein. Das Studium Wasserwirtschaft und Kulturtechnik ist hauptsächlich für Europa zugeschnitten, mit Hochtechnologie. In der Tropenwasserwirtschaft hat man die Chance, die klimatischen Verhältnisse zu lernen und angepasste Technologien zu entwickeln, damit man sie in Afrika anwenden kann. So, dass die Leute auch wirklich etwas damit anfangen können. Das ist eigentlich der Grund, warum ich Tropenwasserwirtschaft studiert habe.
Man muss ja auch ein bisschen neugierig, unternehmungslustig sein und eine gewisse körperliche Konstitution haben, wenn man sich überlegt, dass man seine Kenntnisse in Afrika anwenden will. War das bei Ihnen der Fall, dass Afrika ja irgendwie auch ein Stück weit nahe lag?
Am Anfang lag es nicht nahe, aber ich war schon immer gerne unterwegs, habe neue Länder und Kulturen kennengelernt und freue mich immer wieder, unterwegs zu sein. 1995 habe ich meinen ersten Trip nach Afrika gemacht, rein privat, nach Kenia, um einen Studienkollegen zu besuchen, der dort herkommt. Seitdem hat es mich nicht mehr losgelassen. Ein Studium in Tropenwasserwirtschaft folgte zwei Jahre nach meiner ersten Afrika-Reise.
Sie haben bei einer C4Jet-M-Veranstaltung gehört, dass Menschen auch in Afrika Hilfe brauchen, den Armen zu helfen. Hatten Sie da auch das Motiv, nicht nur Entwicklungshilfe zu leisten, sondern auch aus christlichem Glauben heraus sich zu engagieren? Ganz am Anfang, glaube ich, war es das Abenteuer, das mich gereizt hat. Heute ist es ein bisschen anders. Heute kommt der Glaube auch dazu. Entwicklungshilfe kann jeder leisten, aber wir als Christen haben den Menschen mehr zu bringen als nur Wasser oder Hilfe. Wir machen unsere Arbeit auch, um den Menschen die Liebe Jesu praktisch zu bringen.
Davon später genauer. Jetzt interessiert mich eine kleine Momentaufnahme. Was haben Sie aktuell als letztes in Sachen Wasser gemacht? Vorgestern kam jemand zu mir und fragte, ob er mal mitgehen kann. Er ist Vermessungsingenieur und wollte uns helfen. Die Frau kam wie gerufen. Ich habe schon lange jemanden gesucht, der mir hilft, Krankenhäuser für unsere Projekte einzumessen. Außerdem habe ich die letzten Vorbereitungen für die nächste Reise in den Kongo getroffen. Also Sie sind auf dem Sprung und aktiv. Ich bin gespannt, wie es uns im Gespräch weiterführt und dieses Projekt, Wasser für Afrika, näher kennenlernen.
Die Sache mit dem Wasser ist wichtig. In unseren Breiten eine ganz selbstverständliche Sache, aber so selbstverständlich ist es ja gar nicht. Können Sie ein paar Fakten und Zahlen zum Thema Wasser präsentieren? Wir gehen zwar jeden Tag in den Supermarkt einkaufen, aber wenn wir zu Hause den Wasserhahn aufdrehen, vergessen wir, dass Wasser das Lebensmittel Nummer eins ist. Ohne Wasser lebt man nicht lange, ohne Wasser keine Hygiene. Die UNO hat festgelegt, dass man mindestens 50 Liter pro Tag und Person braucht, um gesund leben zu können, das absolute Minimum liegt bei 20 Litern am Tag. Seit 2016 sind die Zahlen etwas niedriger angesetzt, politisch motiviert. Man hat sich vorgenommen, bis 2030 die Armut auszurotten und den Fortschritt durch angepasste Statistiken zu zeigen.
In Südsahara-Afrika sieht es am schlimmsten aus. Es gibt jährlich ungefähr 4,4 Milliarden Durchfallerkrankungen mit 2,2 Millionen Todesfällen. Sauberes Wasser könnte 20 Prozent der Durchfallerkrankungen senken, 50 Prozent der Todesfälle vermeiden und das Risiko um 33 Prozent senken, wenn man sauberes Wasser zum Händewaschen hat.
Afrika ist groß, mit 54 Staaten. Ich war bisher in zehn Ländern unterwegs. Afrika kann sehr grün sein nach der Regenzeit und sehr trocken, wenn es längere Zeit nicht regnet. Die Sanitärbedingungen sind schlechter als die Wasserversorgung. Abwasser kann genauso problematisch sein wie nicht sauberes Wasser. Wir als Wasserbauer sagen, keine Wasserversorgung ohne Sanitärversorgung.
Im Jahr 2005 habe ich den gemeinnützigen Verein "Institute Water for Africa" gegründet. Tropenwasserwirtschaft ist ein seltener Beruf, Jobs sind rar. Mit Freunden und Leuten aus dem Hauskreis haben wir den Verein gegründet, mit zehn Mitgliedern. Unser Ziel ist, die Lebensbedingungen durch sauberes Wasser zu verbessern und Know-how weiterzugeben. Wir bieten Seminare an, damit die Bevölkerung sich selbst helfen kann. Wir sind hauptsächlich in der Wasserversorgung tätig: Wasserförderung, Speicherung, Aufbereitung, Rohrleitungsbau, Sanitär und Bewässerung.
Wir schätzen die Lage ein und fragen unsere Partner, was sie brauchen, damit niemand das Gefühl hat, etwas übergestülpt zu bekommen. Wir machen Brunnenbau, arbeiten mit lokalen Firmen zusammen und bauen mit Partnern vor Ort die Wasserleitungen. Ich hätte gerne öfter selbst die Schaufel in der Hand, aber das kommt nicht gut an und wird mir meistens verboten. Meine Aufgabe ist logistisch: Material besorgen, Arbeiter bezahlen, Quittungen sammeln und sicherstellen, dass auf der Baustelle alles richtig läuft.
Wir sind ein gemeinnütziger Verein und als Missionswerk anerkannt. Das bedeutet, wir können Spendenbescheinigungen ausstellen und unsere Arbeit als Berufung sehen, Gottesliebe durch praktische Arbeit weiterzugeben. Wir gehen auch in Gebiete, wo große Organisationen nicht hingehen, weil es sich für sie nicht lohnt. Wir machen kleine Projekte und zeigen den Menschen, dass sie nicht vergessen sind.
Wenn ich nach Afrika reise, bin ich oft alleine unterwegs. Für Seminare habe ich einen Kollegen aus dem Kongo, der sehr gut unterrichten kann. Es kommt besser rüber, wenn ein Landsmann etwas sagt, als wenn ein Weißer davon spricht.
In unserem Rechenschaftsbericht für 2017 steht, dass wir ein WASH-Seminar und einen Workshop in Wasseraufbereitung in Tansania veranstaltet haben. Das Interesse war so groß, dass wir vielen Leuten absagen mussten. Wir hatten auch ein Projekt in Adi, Demokratische Republik Kongo, wo wir 13 Waschbecken in einem Krankenhaus eingebaut haben. Dieses Krankenhaus hat nun als erstes im Umkreis von 300-400 Kilometern fließend Wasser.
Unsere aktuellen Projekte umfassen die Umstellung der Wasserversorgung von Dieselbetrieb auf Solar und den Austausch einer maroden PVC-Leitung in Adi, Kongo. Wir planen auch Projekte in Adja und Abeju, Kongo, sowie in Lwamgasa, Tansania, wo das Wasser Quecksilber verseucht ist. Wir wollen dort eine Solarpumpe mit Wasserspeicher installieren.
Wir arbeiten bevorzugt mit kirchlichen Organisationen und Missionen zusammen. Bei unseren Seminaren ist die Bevölkerung bunt gemischt, und es gibt vor Seminarbeginn eine Andacht zum Thema Wasser. In Missionsstationen erzählen wir manchmal von unseren Erlebnissen und wie Gott eingreift, was Eindruck macht.
Ich kann mir gut vorstellen, dass es in Zukunft Bürgerkriege ums Wasser geben wird, besonders wenn Präsidenten ihre Volksgruppe begünstigen. Internationale Kriege halte ich für unwahrscheinlich, weil es internationale Kommissionen gibt, die Lösungen finden. In unseren Breiten ist Wasser komfortabel verfügbar, aber wir sind nicht unbedingt auf der sicheren Seite.